Lässt ein formeller Geschäftsführer (Strohmann) einen faktischen Geschäftsführer neben sich gewähren, treffen ihn hinsichtlich des die operativen Unternehmensaufgaben wahrnehmenden faktischen Geschäftsführers Überwachungspflichten. Diese Pflichten verletzt der formelle Geschäftsführer insbesondere dann, wenn er Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des faktischen Geschäftsführers hatte und nichts unternimmt. Diese Umstände können ein vorsätzlich pflichtwidriges Handeln des formellen Geschäftsführers i. S. d. § 266a StGB begründen. Die Verdachtsmomente müssen sich dabei nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten beziehen.
Normen: § 266a StGB
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen § 266a StGB in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten P. hat es wegen § 266a StGB in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Kammer hat zunächst tragend festgestellt, dass eine vorsätzliche Verletzung der Abführungspflicht durch die Angeklagten K. und S. gegeben ist. K. wusste, dass er nur als Strohmann fungierte und hielt es für sehr wahrscheinlich, dass der Anklagte P. als faktischer Geschäftsführer über die K.B.-GmbH in erheblichem Umfang Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, was er billigend in Kauf nahm. Als formeller Geschäftsführer übte K. dabei keinerlei Kontrolle aus. Der formelle Geschäftsführer, der einen faktischen Geschäftsführer neben sich gewähren lässt, ist wie ein Delegierender zu behandeln. Infolgedessen treffen ihn hinsichtlich des die operativen Unternehmensaufgaben wahrnehmenden faktischen Geschäftsführers Überwachungspflichten, die er insbesondere dann verletzt, wenn er Anhaltspunkte für dessen Fehlverhalten hatte und nichts unternimmt. Die Verdachtsmomente müssen sich dabei nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten beziehen. Diese Umstände begründen einen Vorsatz des Strohmanngeschäftsführers im Hinblick auf § 266a StGB. Hinsichtlich des formellen Geschäftsführers S. hat das Landgericht ebenfalls tragend festgestellt, dass er seinen Pflichten als Geschäftsführer nicht nachkommen wollte und gleichsam damit rechnete, dass die K.B.-GmbH in der Folge keine Sozialversicherungsbeiträge abführen würde.
Irrt der Arbeitgeber über seine rechtliche Stellung als Arbeitgeber oder die damit verbundene Rechtspflicht zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen, unterliegt er einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, der eine Strafbarkeit wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB entfallen lässt.
Normen: §§ 266a, 16 StGB
Wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt macht sich in allen Varianten des § 266a StGB nur strafbar, wer zumindest bedingt vorsätzlich handelt. Dies setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement). Bei pflichtwidrig unterlassenem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) handelt der Täter nur dann vorsätzlich, wenn er bei einer zumindest laienhaften Bewertung der Umstände des Einzelfalls erkannt hat, dass er eine rechtliche Stellung als Arbeitgeber innehaben und eine sozialversicherungsrechtliche Beitragsabführungspflicht bestehen könnte. Die bloße Erkennbarkeit reicht insoweit nicht aus. Es genügt danach nicht mehr, dass der Täter die für die Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die daraus resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten maßgeblichen tatsächlichen Umstände ohne zutreffende rechtliche Einordnung erkannt hat. Vielmehr muss der Täter nunmehr über die Kenntnis der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände hinaus auch die (außerstraf-)rechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts – zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre – nachvollzogen haben. Er muss demnach seine rechtliche Arbeitgeberstellung und die damit verbundene sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen haben. Irrt der Täter über seine Arbeitgebereigenschaft oder die hieraus resultierende Abführungspflicht, unterliegt er einem Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB und handelt nicht vorsätzlich.
Die Einrichtung eines GmbH-Aufsichtsrats auf Grundlage einer im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Öffnungsklausel stellt keine Satzungsänderung dar.
Normen: §§ 53 Abs. 1, Abs. 2, 54 Abs. 1 GmbHG
Bislang war die Frage umstritten, ob der Beschluss über die Einrichtung eines Aufsichtsrats aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Öffnungsklausel die für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften zu beachten hatte. Nunmehr urteilte der BGH, dass die Einrichtung eines Aufsichtsrates bei einer GmbH auf Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag keine Satzungsänderung darstellt und die für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften nicht zu beachten sind, wenn die Öffnungsklausel hinreichend bestimmt ist und der Einrichtungsbeschluss Gesetze und Satzung achtet. Hinreichend bestimmt ist die Ermächtigung, wenn wesentliche Punkte der Einrichtung eines Aufsichtsrats sowie die Übertragung der Überwachung der Geschäftsführung auf diesen geregelt sind. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass zur Einrichtung eines Aufsichtsrates auf Grundlage einer Öffnungsklausel ein nicht notariell beurkundeter Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter ohne Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister genügt.
Die zweiwöchige Ausschlussfrist zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers gemäß § 626 Abs. 2 BGB beginnt bei Vorliegen berechtigter Interessen der den Kündigungssachverhalt anzeigenden Arbeitnehmerin nicht vor ihrer Einwilligung zur offiziellen Aufklärung des Sachverhalts, wenn ihr der Kündigungsberechtigte eine angemessen kurze Frist zur Abgabe der Einwilligungserklärung gesetzt hat.
Normen: §§ 241 Abs. 2, 626 Abs. 2 BGB
Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers kann grundsätzlich nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte zuverlässig und hinreichend vollständig Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hat. Bestehen zunächst nur Anhaltspunkte für einen zur Kündigung berechtigenden Sachverhalt, kann der Kündigungsberechtigte mit gebotener Eile weitere Ermittlungen durchführen, ohne dass die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Soll der Kündigungsgegner im Rahmen dieser Ermittlungen angehört werden, so hat dies grundsätzlich innerhalb von einer Woche ab Bekanntwerden des Kündigungssachverhalts zu erfolgen. Die Wochenfrist ist Ausdruck der Eilbedürftigkeit der Ermittlungen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann die Anhörungsfrist jedoch überschritten werden. Ein besonderer Umstand liegt vor, wenn die den Kündigungssachverhalt mitteilende Arbeitnehmerin aus berechtigtem Interesse darum bittet, den Kündigungsgegner zunächst nicht anzuhören. In einem solchen Fall hat der Kündigungsberechtigte der mitteilenden Arbeitnehmerin, eine angemessen kurze Frist zu setzen, innerhalb derer sie erklären muss, ob sie auf die Vertraulichkeit verzichtet. Nur so kann der Kündigungsberechtigte die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung erhalten. Ist die mitteilende Arbeitnehmerin aufgrund des Kündigungssachverhalts arbeitsunfähig erkrankt, wäre eine Erklärungsfrist von bis zu drei Wochen ab Bekanntwerden des Kündigungssachverhalts nicht zu beanstanden. Erst nachdem die Arbeitnehmerin ihren Verzicht erklärt, beginnt die Wochenfrist zur Anhörung des Kündigungsgegners. Wird der Kündigungsgegner innerhalb der Wochenfrist angehört und erlangt der Kündigungsberechtigte im Zuge dessen hinreichend Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt die zwei wöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
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