Ein Fall, der aktuell vor dem Strafgericht Stuttgart (20 KLs 177 Js 54131/13) verhandelt wird, zeigt es deutlich: Die größte Gefahr lauert oft im Inneren. Die Täter bei Geheimnisstreitfällen sind oft die eigenen Mitarbeiter. Zwar kommt es seltener vor, dass ein Mitarbeiter versucht, während seiner Anstellung Geschäftsgeheimnisse an Mitbewerber zu „verkaufen“. Aber umso häufiger treten Fälle auf, bei denen Mitarbeiter beim Ausscheiden zu Datendieben und Betriebsspionen werden, so wie im aktuellen Fall.
Angesichts der Gefahr, dass ausscheidende Mitarbeiter wichtige Geschäftsgeheimnisse „mitnehmen“, sehen sich Unternehmen einem Spannungsfeld ausgesetzt: Zum einen sollen die eigenen Mitarbeiter bestmöglich gefördert werden, um gut und effizient arbeiten zu können. Deshalb ist eine Offenlegung von Know-how und Geschäftsgeheimnissen positiv. Zum anderen sind gute Mitarbeiter auch von Mitbewerbern umkämpft. Es besteht immer die Gefahr eines Wechsels – gerade auch von führenden Mitarbeitern mit hoher Kompetenzdichte. Für Mitarbeiter in Schlüsselpositionen winken bei Mitbewerbern oft lukrativere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen. Die Gefahr der Abwanderung spricht dann klar gegen die Offenlegung von Know-how, das über das hinausgeht, was zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben notwendig ist. Mit einer restriktiven Handhabung lässt sich die Gefahr des „Geheimnisabzugs“ zumindest einschränken. Für Unternehmen ist dieses Spannungsfeld allerdings kaum zu meistern.
Für Unternehmen sind Verletzungsfälle durch eigene Mitarbeiter während des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich weniger problematisch. Als Konstellation denkbar ist hier eigentlich nur der „Geheimnisverkauf“. Hier gibt es zwei Täter: den Mitarbeiter, der Geschäftsgeheimnisse widerrechtlich an den Mitbewerber offenbart, und den Mitbewerber, der dies annimmt und bezahlt.
Mitbewerber sind aber oft nicht bereit, Rechtsbruch zu begehen. Sie sind sich der potenziell schweren Folgen bei der Annahme eines auch noch so lukrativ klingenden Angebots bewusst. Zudem machen sie sich angreifbar. Geheimnisinhaber können zivilrechtlich und strafrechtlich gegen die Verletzer – also den eigenen Mitarbeiter und auch den annehmenden Mitbewerber – vorgehen. Die Verschärfung der Haftungsregelungen durch das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen trägt weiter zur Abschreckung bei.
Bei ausscheidenden Mitarbeitern ist die Lage anders. Verwenden sie Geschäftsgeheimnisse des früheren Arbeitgebers im Rahmen eines neuen Angestelltenverhältnisses, kann der widerrechtliche Abzug der Geheimnisse und ihre Nutzung unbemerkt bleiben. Der Mitarbeiter nutzt die Geschäftsgeheimnisse zur Steigerung der eigenen Performance oft, ohne dass der neue Arbeitgeber davon weiß.
Wie im aktuellen Fall vor dem Strafgericht Stuttgart kann es aber auch sein, dass der ausscheidende Mitarbeiter ein eigenes Unternehmen gründet. Er hat damit beabsichtigt, die Geschäftsgeheimnisse auf diese Weise „weiterzuverwenden“.
Böswilligkeit allerdings ist nicht zwingend. Viele Verletzungsfälle betreffen Mitarbeiter, die Geschäftsgeheimnisse widerrechtlich weiterverwenden, weil sie gar nicht wissen, dass das gegen geltendes Recht verstößt oder die Informationen Geheimnisse sind.
Unternehmen sollten sich beim Geheimnisschutz auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern gut aufstellen.
Am einfachsten lassen sich fahrlässige Verletzungen eindämmen. Beispielsweise schaffen Mitarbeiterschulungen, Off-boarding-Gespräche, Informationsschreiben und die Kennzeichnung von Dokumenten mit Geschäftsgeheimnissen eine Sensibilisierung beim eigenen Personal. Ausscheidende Mitarbeiter können so nicht mehr guten Gewissens behaupten, ihnen sei die Verletzung nicht bewusst gewesen. Aufgrund der bestehenden Fahrlässigkeitshaftung wirken solche Schutzbehauptungen sowieso nicht entlastend.
Diese Maßnahmen dienen vor allem auch der Abschreckung und sind zur Eindämmung von vorsätzlichen Verletzungsfällen geeignet. Daneben sollten Unternehmen stets ein bewusstes Know-how-Management nach dem „Need-to-know-Prinzip“ betreiben. Dem entsprechend sollte nur derjenige Informationen über Geschäftsgeheimnisse erhalten, der diese auch für die Ausführung seines Jobs benötigt. Es sollte auch nachvollziehbar gehalten werden, wer welche vertraulichen Unterlagen oder Datenträger mit vertraulichen Informationen erhält. Bei einem Ausscheiden sollten diese Informationen zurückverlangt werden.
Für Unternehmen heißt es deshalb: Es kommt auf ein praktikables Schutzkonzept und eine sinnvolle Kategorisierung von Geschäftsgeheimnissen im Unternehmen an. Nur so können Geheimnisverletzungen schnell nachvollzogen werden und Unternehmen bleiben handlungsfähig, um diese Verletzungen möglichst schnell abzustellen. Denn wie immer gilt bei Geschäftsgeheimnissen: Auf die Schnelligkeit kommt es an.
Zur Person |
Rechtsanwalt Alexander Leister, LL.M., ist Counsel der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland am Standort Stuttgart. Er ist Lehrbeauftragter an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg. Im Schwerpunkt unterstützt er Unternehmen im Gewerblichen Rechtsschutz, bei technischen Sachverhalten und im Bereich des Know-how- und Geschäftsgeheimnisschutzes. |
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