Von Dr. Ingo Minoggio, LexisNexis Verlag, 2. Auflage, März 2010, 600 Seiten, ISBN: 978-3-89655-479-6
Unternehmen stehen bekanntlich zunehmend im Fadenkreuz wirtschafts- und steuerstrafrechtlicher Ermittlungen. Durchsuchungsaktionen, Vermögensabschöpfungsmaßnahmen sowie negative Presseberichte können schweren Schaden anrichten. Auch professionelle und gelebte Compliance kann ein Unternehmen nicht zu 100 % schützen. Kommt es zum strafrechtlichen Störfall – meldet der Pförtner die Ankunft von zehn Polizeieinsatzwagen inklusive Kleintransporter für die beschlagnahmten Aktenordner vor den Firmentoren – so ist eine schnelle und zugleich überlegte Reaktion der Verantwortlichen erforderlich: Mit der Durchsuchungssituation muss professionell umgegangen, aufgeregten Mitarbeitern muss Sicherheit vermittelt werden. Der soziale Konflikt muss so schnell wie möglich unter Kontrolle gebracht werden und erfordert ab sofort ein nach außen abgestimmtes Auftreten. Spätestens an diesem Punkt setzt eine effektive Firmenverteidigung ein.
Mit seinem jetzt in erweiterter 2. Auflage 2010 erscheinenden Werk Firmenverteidigung zeigt der Verfasser – immer aus Sicht eines betroffenen Unternehmens – verfahrensrechtlich effektive Verteidigungsinstrumentarien sowie weitere im Unternehmensinteresse unabdingbare Maßnahmen zum Schutz vor Schäden für das Unternehmen auf. Das Buch wendet sich damit nicht in erster Linie an den spezialisierten Strafverteidiger. Geholfen werden soll vielmehr dem Berater, der dem Wirtschaftsunternehmen in einer Konfliktsituation sofort zur Seite steht. Das kann der Unternehmensjurist, der Compliance-Officer oder ein externer Berater sein. Gilt es, für ein Unternehmen belastende Auswirkungen oftmals langwieriger Ermittlungen zu vermeiden, so kann es den Berater unterstützen, in einem interdisziplinären Verteidigungsteam (bestehend je nach Unternehmensgröße aus Unternehmensjuristen, der Steuerberatung bzw. Wirtschaftsprüfung, dem Strafverteidiger und den Compliancemitarbeitern, oftmals auch dem Presseverantwortlichen) eine effektive Firmenverteidigung zu organisieren.
Ohne strikt abgestimmtes und koordiniertes Auftreten nach außen droht dem Unternehmen ansonsten erheblicher Schaden. Wird in einem Schriftsatz im zeitlich vorgelagerten Zivilprozess ein bestimmtes Vorgehen einzelner Mitarbeiter vorgetragen, so ist es nicht mehr glaubwürdig, im Strafprozess ein ganz anderes Verhalten zu behaupten. Der Betriebsfrieden muss durch eine durchdachte Informationspolitik wiederhergestellt werden. Negativer Publizität wirkt das Unternehmen durch aktive Pressearbeit (Ligitation- PR) entgegen. Diese einzelnen Strategiefäden müssen zentral im Firmenverteidigungsteam zusammenlaufen, um einen positiven Abschluss des gesamten sozialen Konflikts für das Unternehmen sicherzustellen. Was nützt ein eingestelltes Strafverfahren, wenn ein Unternehmen aufgrund der negativen Presse keine Aufträge mehr bekommt?
Themen des Buches sind u.a. Teilnahmerechte des Unternehmens im Strafverfahren, eine Verteidigung gegen Vermögensabschöpfung und Kontenbeschlagnahme, die reibungslose Zusammenarbeit von Unternehmensführung und Beratern, die richtige Pressearbeit in Krisensituationen. Oft auftretende Probleme bei der Organisation der Firmenverteidigung werden konkret geklärt. So wird dargestellt, wie Verteidigungskommunikation umfassend geschützt werden kann. Der Umfang eines Schweigerechtes von betroffenen Mitarbeitern bei internen und externen Befragungen wird differenziert aufbereitet. Der Unternehmensjurist erhält eine Checkliste für Durchsuchungsmaßnahmen.
Der Verfasser setzt sich auch kritisch mit der aktuell aufkommenden Diskussion um unabhängige Untersuchungen in Unternehmen nach dem Vorbild der amerikanischen SEC-Untersuchungen auseinander. Eine unabhängige Untersuchung kann für das Unternehmen richtig sein, sie ist aber entgegen vielfach vertretener Auffassung kein Allheilmittel und kann sogar schaden. Entscheidend für die Beurteilung sind nur die Unternehmensinteressen, nicht Mitarbeiterinteressen, andere Drittinteressen oder ein öffentliches Strafverfolgungsinteresse. Aufgrund der ohnehin fortschreitenden Internationalisierung im Wirtschaftsleben wird auch ein Überblick über das besondere Verfahren bei EG-Kartellbußen und internationalen Wirtschaftsstrafverfahren gegeben. Behandelt werden zudem Präventivmaßnahmen zur Begrenzung strafrechtlicher Risikofelder. Neben der Darstellung konkreter Compliance-Instrumente wird auch die Versicherbarkeit strafrechtlicher Risiken sowie erste obergerichtliche Rechtsprechung zur Compliance behandelt.
Schließlich werden Abwehr- und Schadensrückführungsmaßnahmen (asset tracing) aufgezeigt, wenn das Unternehmen selbst zum Ziel strafrechtlicher Angriffe von innen oder außen wird – bis hin zu einer Checkliste, wie eine möglichst erfolgreiche Strafanzeige formuliert wird. Ein eigenes Kapitel ist dem Einsatz der Strafanzeige als taktisches Mittel in einem Unternehmenskampf gewidmet. Da bei Entdeckung einer Straftat eine Strafanzeige durch Verantwortliche des Unternehmens keinesfalls zwingend ist, zeigt der Verfasser Kriterien auf, bei denen es im Interesse des Unternehmens liegt, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance, Heft 2/2010
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