Streitpunkt ist nach Einschätzung der Unternehmensberatung Rödl & Partner „die fehlende Regelung der zivilrechtlichen Haftung bei dem Gesetz, mit dem international tätige Unternehmen verpflichtet werden sollen, die Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette zu überwachen“. Rödl erachtet eine Klarstellung der Haftungsregel als notwendig.
Der Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wurde am 22.4.2021 in erster Lesung in den Bundestag eingebracht und anschließend zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales geleitet. Der Bundesrat erhob gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen. Die für den 20.5.2021 geplante abschließende Beratung und die Abstimmung im Bundestag wurden jedoch nach einer Expertenanhörung im Ausschuss kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen.
Auslöser für die Verzögerung sei das Instrument der Prozessstandschaft, resümiert Rödl. Es bestehe Rechtsunsicherheit in der Frage, inwieweit ausländische Betroffene auf Grundlage des geplanten Gesetzes gegenüber deutschen Unternehmen Ansprüche auf Schadensersatz stellen können. Paragraf 11 des Gesetzentwurfs sehe die Möglichkeit vor, dass alle, „die in einer überragend wichtigen und durch das Gesetz geschützten Rechtsposition verletzt wurden, einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Rechte in Deutschland erteilen können“, so Rödl. Die Ermächtigung zur Prozessführung solle formlos und durch konkludentes Handeln erteilt werden können. Dabei stehe die Prozessstandschaft allen Betroffenen weltweit offen.
Zwar werde in der Theorie der Kreis der Betroffenen, die auf diese Weise ihre Prozessführungsbefugnis übertragen können, durch den Verweis auf die durch das Lieferkettengesetz geschützten Rechtspositionen eingeschränkt. Voraussetzung dabei sei die Verletzung einer überragend wichtigen Rechtsposition. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sei jedoch sehr weitreichend gefasst und verweise als Referenzrahmen auf verschiedene internationale Abkommen und das Völkergewohnheitsrecht. In der Praxis komme deshalb neben dem typischen Fall einer Gefahr für Leib und Leben die Geltendmachung aller denkbaren menschenrechtsbezogenen Verstöße in Betracht.
Vor deutschen Gerichten vertretungsberechtigt seien Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen, die eine auf Dauer angelegte eigene Präsenz in Deutschland unterhalten und sich nach ihrer Satzung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend dafür einsetzen, die Menschenrechte oder entsprechende Rechte im nationalen Recht eines Staates zu realisieren. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, sei im Prozess vom Gericht von Amts wegen zu prüfen.
Die Frage der Prozessführungsbefugnis werde im geplanten Gesetz zwar behandelt. Es fehle jedoch eine Regelung zu der Frage umfasst, ob deutsches Recht auch für im Ausland eingetretene Schädigungen Anwendung finden kann. Vertrete ein Gericht die Auffassung, dass nicht das Recht am Ort des Schadenseintritts, sondern deutsches Recht anzuwenden ist, sei eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen denkbar.
Unternehmerische Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sind auch Gegenstand eines Beitrags in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift für Corporate Governance (ZCG). Claudia Jasmin Regina Bodenstein und Prof. Dr. Alexander Lenz widmen sich darin den Kernpunkten des Gesetzesvorhabens und erörtern, wie sich Rechts- und Planungssicherheit herstellen lässt.
(ESV/fab)
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Lieferkettengesetz | 18.05.2021 |
Unternehmen werden zu menschenrechtlicher Risikoanalyse verpflichtet | |
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