System Error. Warum der freie Markt zur Unfreiheit führt, von Ulrich Thielemann, Westend Verlag, 1. Auflage, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-938060-41-4
„System Error“ ist ein Buch zur Finanzmarktkrise. Es ist aber nicht „nur“ ein Buch zu dieser – denn die Analyse ist wesentlich tiefer. Der Titel bezieht sich denn auch weniger auf die aktuellen Geschehnisse rund um bekannte Investment Banken, als vielmehr auf einen fatalen „Fehler im System“, der bereits seit vielen Jahrzehnten – theoretisch wie praktisch – begangen wird.
Kern dieses Fehlers ist für Thielemann, Autor des Buches und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen, die allgemeine Marktgläubigkeit, d.h. die weitgehend unreflektierte „ökonomische Standardauffassung“, dass mehr Markt und härterer Wettbewerb stets positive Wirkungen haben. Gemeinwohl vorrangig auf dem Wege der Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung zu erreichen sucht. Marktgläubigkeit ist nach Thielemann darüber hinaus auch die (quasi-) legitimatorische Basis jener „neuen Radikalität im Management“, die sich erkennbar darin äußert, dass man heute in den Vorstandsetagen und auf den Börsenparketten dieser Welt „keine Rendite mehr kennt, die zu hoch wäre“. „Das Motto lautet nicht: „Entlassungen trotz Rekordgewinnen“, sondern „Rekordgewinne unter anderem auch durch Entlassungen!“
Für den Einzelnen resultieren daraus vor allem Unsicherheit und Stress – und damit verbunden der Zwang zur „lebenslangen Steigerung der je individuellen Wettbewerbsfähigkeit“. Vor diesem Hintergrund erscheint es letztlich nicht überzogen, wenn Thielemann eine gesellschaftliche Diskussion über die Frage einfordert, „welchen relativen Status die Marktlogik in unserem Leben spielen soll“ – und anfügt: „Diese Frage ist von menschheitsgeschichtlicher Bedeutung.“ Seine Antworten auf diese Frage bleibt der Verfasser nicht schuldig: Für die Ordnungspolitik soll grundsätzlich gelten: „Ein guter Markt ist ein begrenzter Markt.“ Für die Führenden in Unternehmen bedarf es vor allem einer fundamentalen Einsicht: Gesellschaftliche Verantwortung ist ohne eine konsequente „Entthronung des Gewinns“ nicht denkbar.
Fazit: „System Error“ ist ein Buch, das zum grundlegenden Nachdenken auffordert, indem es Bedenkenswertes aus der Wirtschaftswelt (und deren Theorie) und zusammenfügt. Es legt den Fokus dabei weniger auf Differenzierung als eher auf Positionierung.
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance, Heft 1/2010
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