Ein Beitrag zur Coporate Governance-Diskussion in Deutschland. Von Philip Grothe, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3 631 54569-X
Unternehmensüberwachung durch Aufsichtsgremien, die Forderung nach Transparenz und Interessenswahrnehmung von Anteilseignern existieren bereits lange vor Einführung des Deutschen Corporate Governance-Kodex und sogar vor Einführung des Handelsgesetzbuches. Fälle von Missmanagement in den 1990er Jahren haben jedoch die Debatte über Funktion und Wirksamkeit die Entwicklung der Corporate Governance-Bewegung in Deutschland angetrieben. Der Gesetzgeber hat daher in den letzten zehn Jahren im Schnelldurchlauf Gesetze zur Verbesserung der Corporate Governance wie etwa das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen oder das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz auf den Weg gebracht. Eine Regierungskommission Corporate Governance wurde eingesetzt. Und dennoch ist die Debatte zum Thema Unternehmensführung und dem rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens nicht beendet Der hier besprochene Titel schafft einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand.
Das Vorwort des Buchtitels umschreibt es treffend: Es geht um Überwachungsverständnis, Organisationsstruktur, Informationsaustausch sowie gegenseitige Macht- und Einflussnahme. Neben all den bisherigen Studien über Unternehmensführung, Fachliteratur zur Debatte von Corporate Governance und deren Lösungsansätzen bietet der Autor eine Art Praxisleitfaden für Aufsichtsgremien, Anteilseigner und auch Arbeitnehmervertreter, die auf das Thema Unternehmensführung Einfluss nehmen können. Die Forschungsergebnisse der vorliegenden Promotion sollen einen größtmöglichen praktischen Erfahrungshorizont widerspiegeln. Daher war es für den Autor besonders wichtig, die Gruppe der Aufsichtsratsmitglieder – als die für ihn relevante Untersuchungseinheit – zu befragen. Denn nur diese seien in der Lage, umfassend Auskunft über die „praktische Relevanz der theoretischen Konstrukte zu geben“ und „aus der Überwachungsperspektive des Aufsichtsrats heraus Stellung zu nehmen“. Neben der Gruppe der DAX-Unternehmen bezog der Autor aber auch Aufsichtsratsmitglieder außerhalb der Dax-Umgebung mit ein. Seine Ergebnisse zeigen, dass noch zu wenig Augenmerk trotz Bewusstsein darüber auf die strategische Überwachung im Unternehmen gelegt wird. Gleichwohl rückt die Ergebniskontrolle durch den Aufsichtsrat in den Fokus. Vorstand und Aufsichtsgremium stehen sich hierbei beinah diametral gegenüber. Nach Ansicht des Autors führt dies zu zwei Defiziten – der Aufsichtsrat handelt mit seiner Überwachungsaufgabe zu spät, und im Rahmen von Abweichungsanalysen wird er mit sachlich falschen Schlussfolgerungen konfrontiert sein. In Zahlen gemessen, ist die Einflussnahme des Aufsichtsrats auf die Formulierung der Unternehmensziele in der Praxis überraschend gering. Seinen Ergebnissen zufolge definieren Vorstand und Aufsichtsrat die Ziele in nur 6,7 Prozent gemeinschaftlich. In 40 Prozent der Fälle setzt sich der Vorstand mit den Unternehmenszielen auseinander und legt sie dem Aufsichtsgremium zur Beratung und Beschlussfassung vor. Überwiegend werden definierte Ziele dem Aufsichtsrat jedoch lediglich zur Kenntnisnahme vorgelegt (53,3 Prozent). Dies ist ein ernüchterndes Ergebnis und wirft die Frage auf, ob die gesetzgeberisch intendierten Funktionen von Aufsichtsratsgremien angemessen ausgeübt werden (können).
Zugegebenermaßen betrachtet der Autor im ersten Teil des Buches in epischer Breite Erhebungsmethoden und Grundlagendefinitionen zur Überwachungsaufgabe und -funktion. Mit seiner Einschätzung und seinen Handlungsempfehlungen gelingt ihm jedoch ab dem zweiten Drittel prägnant darzustellen, wie Aufsichtsrat und Vorstand korrespondieren, und wo Defizite herrschen und Synergien mehr genutzt werden können.
Die Promotion ist bereits im Jahr 2008 erschienen. Demzufolge ist die relevante Gesetzgebung wie etwa die Änderungen zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG und dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung – VorstAG nicht eingearbeitet. Dennoch stellt es aufgrund der Aktualität der Corporate Governance-Debatte eine gute Grundlage im Hinblick auf Aufgaben, Funktionen und Verständnis von Aufsichtsgremien dar. Für die Unternehmenspraxis ist der Titel daher eine zu empfehlende Lektüre, die zugleich Handlungsempfehlungen gibt, ohne dabei allzu juristische Fachtermini zu verwenden.
Grothe, studierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Duisburg, bringt in seiner Bewertung die Erfahrung aus der Unternehmensberatung im Bereich Strategie und Organisation sowie den wissenschaftlichen Hintergrund zum Thema Unternehmensführung ein. Er hat sich nicht von einer befragten Gruppe lenken lassen, sondern setzt sich ernsthaft und für die Praxis hilfreich mit dem Thema Überwachungsfunktion und Coporate Governance auseinander.
Christiane Hahn, Steinbeis-Hochschule Berlin, School of Governance, Risk & Compliance
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance, Heft 1/2011
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