Corporate Governance und Compliance sind nicht nur für kapitalmarktorientierte Großunternehmen, sondern auch für mittelständische Familienunternehmen eine ernst zu nehmende Problematik. Mehrere Experten setzen sich mit dieser aktuell auseinander.
Die wichtigsten Governance-Regeln für Publikumsgesellschaften sind im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) zusammengefasst. Dieser ist aber nicht 1:1 auf Familienunternehmen übertragbar. Im Gegensatz zu Publikumsgesellschaften findet man Familienunternehmen in verschiedenen Rechts- und Finanzierungsformen, in sehr unterschiedlichen Unternehmensgrößen und mit Inhaberstrukturen, die von wenigen bis zu mehreren hundert Personen reichen.
Vor diesem Hintergrund hat 2010 eine 27-köpfige Kommission aus renommierten Familienunternehmern und Wissenschaftlern den 2004 erstmals veröffentlichten Governance Kodex für Familienunternehmen grundlegend überarbeitet (vgl. dazu die Nachricht auf COMPLIANCEdigital vom 22. Juni 2010). Der Kodex enthält keine konkreten Handlungsanweisungen, sondern lediglich Empfehlungen zu Handlungsinhalten, um in diesem Rahmen einen eigenen Familienkodex formulieren zu können. Die in einem solchen Kodex zu adressierenden Bereiche sind: Exekutivgremium (Vorstand/Geschäftsführung) – Aufsichtsgremium (Aufsichtsrat/Beirat) – Unternehmensführung und interne Überwachung – Anteilseigner- und Gläubigerstruktur – Rechnungslegung, Transparenz und Publizität – Finanzierung – Unternehmenskultur, Corporate Behavior und Konfliktmanagement.
Inzwischen steht sehr tiefgehende Literatur mit konkreten Empfehlungen für die Ausgestaltung der Governance in Familienunternehmen zur Verfügung: 2010 ist der Best-Practice-Ratgeber Family Business Governance von Alexander Koeberle-Schmid, Hans-Jürgen Fahrion und Peter Witt im Erich Schmidt Verlag erschienen. Jüngst hat nun Patrick Ulrich das Buch Corporate Governance in mittelständischen Familienunternehmen (Gabler Verlag) vorgelegt. Aus Praxissicht bemerkenswert sind diese beiden Werke insbesondere deswegen, weil die Autoren ihre Erkenntnisse u.a. anhand von Experteninterviews und Fallstudien aus der Unternehmenspraxis gewinnen.
Für Familienunternehmen gelten inzwischen ebenso ähnliche Compliance-Anforderungen wie für Großunternehmen oder Publikumsgesellschaften. Im Zuge der Globalisierung sind Familienunternehmen nicht selten Weltmarktführer in ausgewählten Segmenten. Sie unterliegen damit den in- und ausländischen Stakeholderanforderungen und weiteren daraus resultierenden Normen. Jedoch besteht in vielen familiengeführten Unternehmen noch kein umfassender Schutz vor Compliance-Risiken. Die aktuellen Anforderungen und entsprechende Lösungen diskutieren deshalb Experten detailliert in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) mit ihrem Impulsthema „Compliance in Familienunternehmen“.
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern
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