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Fair Value Accounting

Konzeptionelle Inkonsistenzen und Schlussfolgerungen für die Rechnungslegung. Von Thomas Schildbach. Vahlen Verlag, München 2015, 319 Seiten, 59,00 Euro, ISBN 978-3-8006-5029-3.

Thomas Schildbach, Emeritus der Universität Passau, stellt seinem Buch im Vorwort die Aussage des Chairmans der IASB Sir David Tweedie voran: „They’re jealous, frankly, because they see two gorillas out here and they’re in danger of getting squashed between them.“ Tweedie bedachte damit die Gegner von IASB und FASB bei ihrem Bemühen, die Rechnungslegung weltweit zu vereinheitlichen. Beide Institutionen sind sich darin einig, dass der Königsweg der Rechnungslegung in der Marktwertorientierung für Vermögenswerte besteht, wie sie im Fair Value Accounting zum Ausdruck kommt. Schildbach, Vertreter der Kölner Funktionenlehre der Unternehmensbewertung, ist dagegen Anhänger einer individuellen auf projektierten Cashflow basierenden Bewertung. Er versucht, den beiden Gorillas aus dem Zitat mit guten Argumenten zu begegnen.

Ein Kritikpunkt ist die Bezeichnung „fair“ im Fair Value. Der Begriff, wohlbekannt aus der angelsächsischen Generalklausel der Rechnungslegung (dem „true and fair view“), setze den Wert auf ein „hohes Ross“ und setze damit die anderen denkbaren Wertkonzeptionen, beispielsweise die traditionell im deutschen Recht besonders relevanten historischen Anschaffungskosten, unangemessen zurück. Damit würden die Erwartungen an die Bewertung schon von vorne herein stark überhöht.

Die Fair Value Bewertung greift auf an Märkten beobachtete Werte zurück oder – sofern notwendig – schätzt diese Werte mit analytischen Methoden. Die so gewonnenen Werte werden von ihren Befürwortern als weitgehend objektiv angesehen. Theoretisch eindeutig der beste Wert ist der Marktwert bei Märkten im Gleichgewicht. Diese Erkenntnis der neoklassischen Ökonomie entspricht aber nicht den Verhältnissen realer Märkte, auf denen es im Gegensatz zu im Gleichgewicht befindlichen Märkten sehr wohl noch Transaktionen gibt. Hier ist der festgestellte Marktpreis derjenige, der von einem marginalen Käufer gerade noch bezahlt wurde und von einem marginalen Verkäufer gerade noch akzeptiert wurde. Diese realen Marktwerte haben nichts mit objektiven Werten zu tun, sondern sind individuell und dem Zufall geschuldet, welche Wirtschaftssubjekte auf den Märkten aktiv waren und welche nicht.

Ein Compliance-Problem des Fair Value Accounting wird von Schildbach besonders diskutiert. Ein auf Basis von Schätzungen gewonnener Fair Value kann ex ante von einem Prüfer nicht als falsch klassifiziert werden, da eine Begründung eines geschätzten Wertes sicherlich möglich sein wird. Ex post eine Falsifikation vorzunehmen, ist zwar möglich aber nicht sinnvoll und angemessen. Es entstehen zwangsläufig erhebliche Ermessensspielräume für den Bilanzierenden. Die Prüfung, ob es sich um einen Compliance-Verstoß mit dem Ziel der Manipulation oder um eine tatsächliche Fehleinschätzung handelt, ist für außenstehende nicht mehr möglich bzw. nur bei extremen Manipulationen zu erkennen.

In dem Band werden viele weitere bedenkenswerte Kritikpunkte an der Ideologie des Fair Value Accounting erwähnt. Abschließend macht der Autor zahlreiche Vorschläge für die Gestaltung einer verbesserten Rechnungslegung. Dabei werden auch die ausführlich dargestellten Lehren aus der Subprime-Krise berücksichtigt.

Insgesamt ein lehrreiches Buch mit vielen interessanten und nachdenkenswerten Einwänden gegen die vorgeblich „moderne“ Form der Rechnungslegung. Das Buch hebt sich wohltuend von vielen anderen Büchern zur Rechnungslegung ab, da in dieser Monographie alle relevanten Fragen ausführlich besprochen werden. Der unmittelbare Nutzwert ist nicht in jedem Kapitel gegeben, aber die intensive intellektuelle Beschäftigung mit einem Thema fordert heraus und bereitet viel Vergnügen. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsträger über Regulierungen der Rechnungslegung dieses Buch ebenfalls lesen und ihre Konsequenzen aus den vorgebrachten Einwänden gegen das Fair Value Accounting ziehen.

Prof. Dr. Stefan Behringer, NORDAKADEMIE Elmshorn

Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 5/2015


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