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Insolvenz  
08.10.2019

Thomas-Cook-Insolvenz: Fehlender Überschuldungsbegriff als Ursache

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern
Thomas Cook: Überschuldung als Auslösetatbestand der Insolvenz im britischen Recht nicht bekannt (Foto: whitelook und James Thew/Fotolia.com)
In dem in Großbritannien insolvenzrechtlich unbekannten und auch in Deutschland aktuell nicht greifenden Überschuldungsbegriff sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) die wesentliche Ursache für die Härte der Thomas-Cook-Insolvenz.
Die Insolvenz des Thomas-Cook-Konzerns gefährdet zahlreiche Arbeitsplätze auch in Deutschland und trifft Hunderttausende von Touristen. Der Insolvenzsicherungsschutz wird aller Voraussicht nicht einmal dazu reichen, Anzahlungen vollständig zurückzuerstatten. Der Umfang und die hohe Zahl der Geschädigten resultieren vor allem aus der Tatsache, dass das britische Recht den Insolvenzauslösetatbestand der Überschuldung nicht kennt. Diese Ansicht vertritt die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) in ihrer Mitteilung 08/2019 und sieht in Deutschland ein ähnliches Problem: Die Überschuldung als Tatbestand für die Insolvenzauslösung kann nach der Insolvenzordnung ausgesetzt werden, wenn die „Fortführung überwiegend wahrscheinlich ist”. De facto maßgeblich für eine Insolvenz ist daher aktuell nur die Zahlungsunfähigkeit.

Liquiditätsschöpfung durch überschuldete Unternehmen

Soweit überschuldete Unternehmen für sich die Wahrscheinlichkeit sehen, zukünftig liquide zu sein, arbeiten sie weiter und produzieren auch weiterhin operative Verluste. Bei der Schöpfung von Liquidität nutzen sie – so der mahnende Hinweis des DAV – unterschiedliche Quellen: Genutzt werden etwa Anleihen und Schuldscheine, aber auch Anzahlungen auf in der Zukunft liegende Leistungen wie beispielsweise Reisen. So hat etwa Thomas Cook seine Liquidität erhalten. Hinzu kommt noch die nicht selten zu beobachtende Praxis, dass Anbieter dem Verbraucher die Vorauszahlung mit einem Rabatt schmackhaft machen. Der Verbraucher gibt dann unwissend und ungewollt einen ungesicherten Kredit. Von der möglicherweise nur eingeschränkten Kreditwürdigkeit des Unternehmens kann er dabei nichts wissen. Der DAV-Vorsitzende RA Jörn Weitzmann fordert daher statt staatlicher Hilfen (wie bei Condor), dass  Unternehmen verpflichtet werden sollten, solche Vorauszahlungen auf einem gesonderten Treuhandkonto zu separieren.

Überschuldungsbegriff in Altfassung rückwandeln

Insbesondere plädiert der DAV dafür, den alten Überschuldungsbegriff des § 19 der Insolvenzordnung wieder einzuführen. Dieser war im Zusammenhang mit der Lehman-Krise nachhaltig entschärft worden. In seiner alten Fassung schrieb er vor, dass ein Unternehmen Insolvenzantrag stellen musste, wenn das Eigenkapital die Verbindlichkeiten nicht mehr deckte. Ein dauerhaftes „Weiterwirtschaften” mit Verlusten war damit bei gesetzeskonformem Verhalten ausgeschlossen. Geht es jetzt um die Prognose, ob auch zukünftig die Liquidität vorhanden ist, trage hingegen der Kunde bzw. Verbraucher das Risiko einer fehlerhaften Prognose. Deshalb sieht Weitzmann in einer gesetzlichen Rückkehr zur Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Überschuldung auch einen wirksamen Verbraucherschutz.

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von ca. 1.500 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet (mehr dazu s. hier).

Restrukturierungs- und Turnaround-Management

Erscheinungstermin: 26.07.2019

Herausgegeben von: Prof. (FH) DDr. Mario Situm, Prof. Dr. Markus W. Exler

Um Krisensituationen in Unternehmen frühzeitig zu erkennen und geeignete Reorganisationsmaßnahmen zur Erhaltung von Rendite- und Wettbewerbsfähigkeit einzuleiten, sind heute äußerst vielseitige strategische, operative und kommunikative Qualitäten erforderlich.

In der 2. Auflage ihres Praxisbuchs vermitteln Ihnen die Experten um Markus W. Exler und Mario Situm alle für Turnaround- und Transformationsprozesse typischen Perspektiven aus Geschäftsleitung und Interim Management, von Kreditinstituten und weiteren Stakeholdern.

    • Krisenerkennung und -analyse: Krisenindikatoren, Analysemethodik, Identifikation von Wertschöpfungspotenzialen
    • Initiation von Turnaround-Prozessen: Anforderungen an Leadership und Stakeholder-Kommunikation
    • Planung und Umsetzung: z.B. Generierung von „Quick-Wins“; analytische, kommunikative und organisatorische Funktionen
    • Strategische Restrukturierung: Change Management, M&A, Wertorientierte Managementkonzepte
    • Sanierungskonzepte nach IDW S 6 sowie insolvenzrechtliche Besonderheiten

(ESV/ps)
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