Aus Sicht von Rödl & Partner ist dies „eine Folge, die im Wesentlichen der Erkenntnis entspringt, dass selbst eine Adressierung auf Ebene der Vereinten Nationen in Form der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und komplementärer Ansätze wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen über ihre Signalwirkung hinaus kaum geeignet sind das Problem effektiv zu lösen. Das Scheitern daraus abzuleitender freiwilliger Lieferketten-Compliance belegten Beispiele aus der Textilbranche.
Vor diesem Hintergrund führe der nationale Gesetzgeber verpflichtende Vorgaben zur Wahrung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards in internationalen Lieferketten ein. Schon bevor das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) am 1.1.2023 in Kraft tritt, bahnten sich Änderungen beruhend auf unionsrechtlichen Vorgaben an. Anlass sei der am 23.2.2022 von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf für eine Richtlinie über unternehmerische Nachhaltigkeitspflichten, so Rödl & Partner.
Die öffentliche Diskussion über eine stärkere Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung in internationalen Lieferketten verlaufe parallel zu ihrem mutmaßlichen Ausgangspunkt in Form der Globalisierung. Das dahinterstehende Prinzip der globalen Arbeitsteilung unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile bedinge – zumindest der Theorie nach – eine globale Wohlfahrtssteigerung. Dieses Prinzip werde hingegen durchbrochen, wenn geschaffene Werte allein am Ende der Lieferkette abgeschöpft werden, während am Beginn der Lieferketten externe Kosten etwa durch menschenrechtswidrige Arbeitsbedingungen oder Umweltverschmutzungen entstehen. Entsprechende Kosten fänden in der unternehmerischen Kalkulation häufig keine Berücksichtigung und minderten die Wohlfahrt des Produktionsstaats. Der zentrale Inhalt der Lieferkettengesetzgebung bestehe darin, nach Wegen zu suchen, diese externen Kosten zu internalisieren, Ausgleichsmechanismen zu schaffen oder sie bereits präventiv zu vermeiden.
Das Spektrum der Initiativen freiwilliger Selbstregulierung sei vielfältig. Bezugspunkte bestünden in internationalen Standards, insbesondere in den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Die Bedeutung freiwilliger Initiativen sei jedoch differenziert zu betrachten – nicht zuletzt, um den Eindruck bloßen Green- oder Bluewashings zu vermeiden. Neben dem jeweiligen Sorgfaltspflichtenkonzept und dem in Bezug genommenen Standard spielten dabei auch die organisatorische Struktur und der Überprüfungsmechanismus der jeweiligen Initiative eine besondere Rolle.
Die Berücksichtigung freiwilliger Initiativen sei im LkSG kaum angelegt. Lediglich § 7 Abs. 2 Nr. 2 LkSG benenne als in Betracht zu ziehende Abhilfemaßnahme bei bereits eingetretenen Verletzungen geschützter Rechtspositionen den Zusammenschluss mit anderen Unternehmen im Rahmen von Brancheninitiativen und Branchenstandards, um die Einflussmöglichkeit auf den Verursacher zu erhöhen. Auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 6 LkSG könnten freiwillige Initiativen Berücksichtigung finden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weise darauf hin, dass Siegel, Zertifikate oder Audits, soweit sie nachweisbar die gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen erfüllen, als wichtige Anhaltspunkte für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten des LkSG dienen können.
Wesentlich umfangreicher seien hingegen die Überlegungen in einem Eckpunktepapier für den Entwurf eines Lieferkettengesetzes aus dem Jahr 2020 gewesen. Danach sollten Unternehmen, die einem staatlich anerkannten Standard beitreten und diesen implementieren, ihre zivilrechtliche Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken können. Voraussetzung für die Anerkennung war, dass der Standard die gesamte Lieferkette erfasst, sämtliche Kernelemente der Sorgfaltspflicht berücksichtigt und im Rahmen eines Multi-Stakeholder-Prozesses erarbeitet wurde. Die zivilrechtliche Haftung sei im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf deliktische Ansprüche nach allgemeinen Grundsätzen begrenzt worden, ohne dass auf die maßgebliche Frage des anwendbaren Rechts eingegangen wurde, führt Rödl & Partner aus. Offen sei, ob eine entsprechende Regelung in absehbarer Zeit doch noch eingeführt werden könnte.
Der Entwurf der EU-Kommission für eine Richtlinie über unternehmerische Nachaltigkeitspflichten verhalte sich gegenüber der Einbindung freiwilliger Initiativen im Grundsatz ähnlich wie das LkSG. Eine umfassende Einbeziehung freiwilliger Initiativen enthalte der Entwurf nicht. Zu beachten sei, dass der EU-Entwurf von einem deutlich weiteren Geltungsbereich ausgehe und auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) erfasse, die in Branchen mit hohem Schadenspotenzial tätig sind.
Eine umfassende Regelung zur Einbindung freiwilliger Initiativen besteht bisher weder im LkSG noch im EU-Entwurf für eine Richtlinie über unternehmerische Nachhaltigkeitspflichten, resümiert Rödl & Partner. Beide Regelwerke betonten allerdings im Grundsatz die Einbindung freiwilliger Initiativen zur Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten. Dafür spreche insbesondere, dass solche Initiativen zum Beispiel aus der Textilbranche bereits auf einen hohen Erfahrungsschatz zurückgreifen können – dazu auch der Umstand, dass eine Zusammenarbeit in einer bestimmten Branche komparative Kostenvorteile begünstigt. Vor allem für KMU könnte eine formelle Einbindung freiwilliger Initiativen bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu mehr Rechtssicherheit verhelfen. Auch ohne eine unmittelbare Berücksichtigung sei eine Erfüllung der Sorgfaltspflichten mittels freiwilliger Initiativen grundsätzlich möglich.
Den vollständigen Artikel von Rödl & Partner finden Sie hier. Er ist Teil des Themenspecials „Lieferkettengesetz international“, den das Beratungsunternehmen hier veröffentlicht hat.
(ESV/fab)
LkSGAutoren: Dr. jur. Stefan Altenschmidt, Denise HellingPraxisgerechte Antworten zur rechtssicheren Handhabung des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bietet Ihnen dieser kompakte Kommentar. Organisationspflichten, Haftungs- und Sanktionsrisiken für die betroffenen Unternehmen und Zulieferer, rechtliche Instrumente zur Durchsetzung der Achtung international anerkannter Menschenrechte und Umweltbelange im Bereich unternehmerischen Handelns: Gut verständliche Erläuterungen helfen, die neuen Compliance-Anforderungen in der Form klassischen Wirtschaftsverwaltungsrechts zum Schutz von Beschäftigten und sonstigen Betroffenen im In- und Ausland konkret umzusetzen. Direkt anwendbare Lösungsansätze unterstützen Unternehmen, Gerichte, Behörden und NGOs bei den Schwierigkeiten, die das neue Gesetz jetzt mit sich bringt.
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