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Hinweisgeberschutz  
30.03.2023

„Whistleblowing ist eine unverzichtbare neue Compliance-Säule“

Interview mit Johannes Jakob, CEO und Co-Founder der Plattform Whistle.law
Johannes Jakob (Foto: Whistle.law)
Für die Einführung eines Hinweisgeberschutzgesetzes in Deutschland haben die Koalitionsfraktionen im Bundestag einen neuen Anlauf genommen. Der Rechtsausschuss hat die beiden vorgelegten Gesetzentwürfe mittlerweile verabschiedet. In einer Anhörung hatten Sachverständige zuvor Zweifel am Gesetzgebungsverfahren geäußert. Hintergründe zum Hinweisgeberschutzgesetz erläutert Johannes Jakob von der Plattform Whistle.law im Interview mit der ESV-Redaktion.

Was bedeutet die weitere Verzögerung bei der Einführung des Hinweisgeberschutzgesetzes für Unternehmen? Worauf sollten sie sich bereits jetzt einstellen?

Johannes Jakob: Durch die vielen Bremswege bei der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ins nationale Recht ist bei vielen eine nachvollziehbare Unsicherheit entstanden. Das sorgt bei einigen entsprechend für eine passive Haltung des Abwartens. Man sollte sich jedoch darauf einstellen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz noch dieses Jahr in Kraft treten wird und eine Handlungsnotwendigkeit für viele Unternehmen besteht. Je nach Unternehmensführung muss zum Beispiel der Betriebsrat hinzugezogen werden. Viele Faktoren können sich daher auch verzögernd auswirken und Unternehmen entsprechend in eine zeitliche Umsetzungsnot katapultieren. Es empfiehlt sich, rechtzeitig die notwendigen Schritte einzuleiten und die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Eine Auslagerung an Dritte wird gesetzlich zulässig sein und kann für viele eine große Entlastung bedeuten.

Die Bundesregierung hat nun einen neuen Anlauf gestartet, um das Hinweisgeberschutzgesetz einzuführen. Wird es inhaltlich letztendlich doch bei der vom Bundesrat abgelehnten Version bleiben? Und für wann rechnen Sie mit einem Inkrafttreten des Gesetzes?

Offenkundig ist mittlerweile, dass die Koalitionsfraktionen das Hinweisgeberschutzgesetz im Rahmen des neuen Verfahrens in zwei Gesetze aufgesplittet haben. Der erste Gesetzesentwurf ist im Wesentlichen inhaltlich identisch zum Entwurf des Bundestags vom Dezember 2022 und betrifft Unternehmen. Der zweite Gesetzesentwurf enthält die ergänzenden Regelungen unter anderem für Landesbeamtinnen und -beamte. Hierdurch sollen weitere Umsetzungsblockaden insbesondere im Bundesrat ausgeschlossen werden. Berücksichtigt man grundsätzlich die Verkündigung eines neuen Gesetzes, das heißt die amtliche Bekanntgabe im Bundesgesetzblatt und die ab diesem Zeitpunkt laufende, relativ kurze Frist von einem Monat bis zum Inkrafttreten, dann ist mit einem schnellen Inkrafttreten des ersten Gesetzes im zweiten Quartal 2023 zu rechnen.

Welche konkreten Punkte im Gesetzesentwurf sind aus Ihrer Sicht noch klärungsbedürftig?

Wie bei allen neuen Gesetzen gibt es einige Fragen hinsichtlich der rechtkonformen praktischen Umsetzungen. Viele Anwendungsschwierigkeiten werden sich vermutlich im Laufe der Zeit noch deutlicher herauskristallisieren. Neben einem rechtskonformen Meldekanal ist deshalb fachkundiges und erfahrenes Personal besonders wichtig. Eine praktische Hürde ist, dass Stand heute die externen Meldestellen noch nicht bekannt sind.

Welche Nachteile haben Unternehmen ohne eigene Meldestelle für Hinweisgebende?

Für Unternehmen können ganz erhebliche Nachteile entstehen. Es muss hier ganz klar vor Augen geführt werden, dass das Nicht-Einrichten einer Meldestelle bei bestehender Einrichtungspflicht zukünftig mit Sanktionen und Geldbußen verbunden sein wird. Keine interne Meldestelle zu unterhalten, kostet bis zu 20.000 Euro. Auch der Mehrwert einer internen Meldestelle muss in den Vordergrund gestellt werden. Ein gutes Hinweisgebersystem ermöglicht frühzeitige Aufklärungen und Schlichtungen von internen Problemen und Konflikten. Fehlt eine solche Möglichkeit, wachsen diese Probleme erfahrungsgemäß, bis sie auf direktem Wege bei den Aufsichtsbehörden, der Staatsanwaltschaft oder Presse landen. Externe Ermittlungen und potenzielle Imageschäden sind ein nicht zu unterschätzender Nachteil einer fehlenden eigenen Meldestelle.

Worauf ist beim Thema Datenschutz zu achten und wie lässt sich speziell die Anonymität von Hinweisgebenden anonymer Meldungen gewährleisten?

Im Grundsatz kann man sagen, dass alle einschlägigen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit vollumfänglich umgesetzt und gewahrt werden müssen. Ein Hinweisgebersystem muss den technischen und praktischen Anforderungen der DSGVO gerecht werden. Die Anonymität von Meldungen lässt sich hierbei auf zwei Wegen gewährleisten: zum einen durch einen technisch einwandfreien Meldekanal, der jegliche Zurückführung zur meldenden Person ausschließt, zum anderen durch die Aufklärung und Sensibilisierung der potenziell Meldenden, dass bei anonym beabsichtigten Meldungen keinerlei Angaben zur eignen Person gemacht werden sollten. Werden beide Faktoren berücksichtigt, kann eine anonyme Meldung vollumfänglich gewährleistet sein.

Inwiefern hilft Whistleblowing bei der Etablierung einer Compliance-Kultur?

Eine gute Compliance-Kultur kümmert sich um eine rechtskonforme Auseinandersetzung mit allen einschlägigen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien. Ein Hinweisgeberschutzsystem wird ein fester Bestandteil einer guten Compliance sein und Hand in Hand mit andere Compliance-Säulen funktionieren, beispielsweise mit der Geldwäsche- und Betrugsprävention. Bei der Etablierung einer guten Compliance- Kultur ist das Whistleblowing damit eine unverzichtbare neue Compliance-Säule.

Johannes Jakob ist CEO und Co-Founder von Whistle.law, Anbieter einer Cloud-Lösung für Hinweisgeber­schutzsysteme.

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