Dabei hatte die unionsmitbestimmte Bundesregierung vor einem Jahr den Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ beschlossen, in dem das Unternehmensstrafrecht enthalten ist. Inmitten des Bundestagswahlkampfs heißt es nun: Zu groß seien die Differenzen zu einzelnen Regelungen insbesondere zum Umgang mit Berichten aufgrund interner Untersuchungen gewesen.
Trotz dieses Rückschlags sollten Unternehmen das Thema Compliance nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern die gewonnene Zeit für Aufbau und Weiterentwicklung eines beständigen Compliance-Management-Systems nutzen, rät die Kanzlei CMS. Der Entwurf des Verbandssanktionengesetzes enthalte „durchaus erfolgversprechende und compliancefördernde Ansätze, die ein eindeutiges Signal an die Unternehmen für Investitionen in Integrität und werteorientiertes Handeln sendeten“. So soll gesetzlich verankert werden, Compliance-Maßnahmen zu stärken und Anreize für die Aufklärung von Straftaten durch interne Untersuchungen zu schaffen, indem sowohl vor- als auch nachgeschaltete Compliance-Bemühungen etwa bei der Bußgeldbemessung Beachtung finden sollen.
Kontrovers diskutiert wurde die im Gesetzentwurf ebenfalls vorgesehene Trennung von Unternehmensverteidigung und internen Untersuchungen. Diese Trennung sei systemfremd und diene der Aushöhlung des Beschlagnahmeschutzes, lautete die Kritik. Ergebnisse aus internen Untersuchungen hätte die Staatsanwaltschaft beschlagnahmen können, weil sich das Unternehmen nicht auf das Verteidigerprivileg hätte berufen können. Vor diesem Hintergrund wurde befürchtet, dass das Verbandssanktionengesetz nicht den gewünschten Anreiz geschaffen hätte, Fehlverhalten aufzuklären, sondern Unternehmen künftig eher von Untersuchungen abgesehen hätten.
Ein Gesetz mit dem Schwerpunkt einer verstärkten Unternehmenssanktionierung sei „in Zeiten von Corona mit seinen einhergehenden Belastungen für die Wirtschaft nur noch schwer vermittelbar“ gewesen“, resümiert CMS. Unter der nächsten Bundesregierung werde voraussichtlich ein vergleichbares Gesetzesvorhaben angestoßen. Die Notwendigkeit und das Bedürfnis der Eindämmung von Wirtschaftskriminalität sei nicht vom Tisch – nicht zuletzt mit Blick auf die Erfüllung internationaler Standards und die Schaffung von Strafverfolgungsgleichheit.
Nach Einschätzung von Rödl & Partner ist davon auszugehen, dass sich Unternehmen künftig sehr wohl strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt sehen werden, die noch weitreichendere Folgen vorsehen, als es bislang der Fall ist. Nach der Bundestagswahl im September 2021 werde sich zeigen, ob der neue Koalitionsvertrag einen ähnlichen Passus enthalten wird, wie der noch geltende. Im März 2018 hatte die amtierende Bundesregierung sich als Ziel gesetzt, den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität mit einem neuen Sanktionsrecht gegen Unternehmen stärker als bislang aufzunehmen. „Vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich neu aufgedeckten Skandale zum Thema Wirtschaftskriminalität darf damit gerechnet werden, dass man dieses Ziel nicht als erreicht ansehen wird“, stellt Rödl fest. Vielmehr sei mit weiteren Anstrengungen seitens des Gesetzgebers zu rechnen.
Mit den Hintergründen zum vorerst gescheiterten Verbandssanktionengesetz befasst sich auch Dr. Christian Rosinus in der aktuellen Folge des Criminal Compliance Podcasts.
(ESV/fab)
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